YBG-Crowdfunding Picks KW40
- Björn

- 5. Okt.
- 8 Min. Lesezeit

Man könnte meinen, dass Crowdfunding in diesen Tagen etwas im Schatten der Vorfreude auf Essen steht. Die Geldbeutel werden fest umklammert, als wollten sich alle vor der Flut an Neuheiten schützen, die bald über uns hereinbricht. Und doch zieht es mich wieder hinab – in die faszinierenden Untiefen des Crowdfundings.
Jedes Mal fühlt es sich an wie Muscheltauchen: man stößt auf viel Sand, manches schillert kurz, aber nur selten entdeckt man echte Perlen. Gerade in dieser Woche scheint das Meer besonders trüb, und vielleicht haben viele Spieler*innen ein paar glitzernde Projekte einfach übersehen. Doch genau dort, unter der Oberfläche, wo die Strömung ruhiger wird und die Neugier größer, suche ich weiter – nicht nach dem Offensichtlichen, sondern nach jenen besonderen Fundstücken, die sich zwischen Algen und Muschelschalen verbergen.
Also taucht mit mir ab – auf die Suche nach den verborgenen Schätzen des Crowdfundings: schön, geheimnisvoll und vielleicht noch mit etwas Plankton bedeckt.
Platz 3
👑 Iberia: Kings and Emirs auf Kickstarter

🎯 Genre: historisches Area-Control- & Influence-Game mit politisch-kulturellem Schwerpunkt
👥 Spieler*innenzahl: 2–4
⏱️ Spieldauer: ca. 40-80 Minuten
🎂 Alter: ab 14 Jahren
🌍 Sprache: Englisch
🎨 Designer: Ian Curtiss
🎲 Verlag: CSquared Games
📆 Finanzierungszeitraum: läuft aktuell bis 30.10.2025
🌀 Spielprinzip
In Iberia: Kings and Emirs tauchen die Spieler*innen in die wechselvolle Geschichte der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel ein. Christliche Könige und muslimische Emire ringen gleichermaßen um Macht, Einfluss und die Gestaltung ihrer Territorien. Dabei geht es nicht nur um militärische Expansion: auch Diplomatie, religiöser Einfluss und die kluge Organisation des eigenen Hofes entscheiden über Sieg oder Niederlage.
Das zentrale Spannungsfeld liegt in der Balance: Ein erobertes Gebiet ist wertlos, wenn es nicht durch Kultur oder Religion gefestigt wird. Prestige entsteht durch die richtige Mischung aus territorialem Anspruch, innerer Stabilität und außenpolitischen Allianzen. Jede Partie erzählt so ihre eigene Geschichte – mal dominiert der Krieg, mal diplomatisches Geschick oder die Förderung von Wissenschaft und Kunst.
⚙️ Spielmechanik

Eine Partie Iberia: Kings and Emirs verläuft über mehrere, ineinandergreifende Phasen, die taktische Planung und ein gutes Gespür für Timing verlangen. Im Stadtbau und der Infrastruktur investieren Spieler*innen in Bauwerke, die langfristige Vorteile bringen – etwa Prestige, zusätzliche Ressourcen oder Kontrolle über strategisch wichtige Regionen. Der Hofstaat, bestehend aus einflussreichen Höflingen, spielt dabei eine zentrale Rolle: Ihre Loyalität beeinflusst Intrigen, politische Stabilität und letztlich auch, welche Handlungsoptionen überhaupt offenstehen.
Ebenso entscheidend ist der religiöse Einfluss, der weit über reine thematische Farbe hinausgeht. Religion fungiert als aktiver Mechanismus – wer geschickt zwischen weltlicher und geistlicher Macht balanciert, kann sich entscheidende Vorteile sichern, riskiert aber auch Konflikte mit der Kirche oder rivalisierenden Glaubensvertreter*innen.
Ein weiteres Element bildet die Diplomatie, in der Absprachen, Kooperationen und Allianzen möglich sind – jedoch nie ohne Risiko. Gebrochene Versprechen und taktische Täuschungen gehören hier zur Spielkultur. Ereignisse und Krisen durchbrechen regelmäßig den gewohnten Ablauf: Sie bringen Unruhe, Bedrohungen oder unerwartete Wendungen, die spontane Anpassungen der Strategie erfordern.
Am Ende entscheidet die Wertung nicht allein über reine Macht oder Gebietsgröße. Jede*r Spieler*in hat verdeckte Prioritäten und Farben, die für sie besonders wertvoll sind – wer seine Mitspielenden gut beobachtet und das richtige Timing findet, kann hier entscheidend punkten.
So entsteht eine komplexe Mischung aus Area Control, Intrigenmanagement und politischem Balanceakt – ein Spiel, das weniger auf offene Konfrontation setzt, sondern auf das geschickte Knüpfen und Zerschneiden von Machtstrukturen.
🎲 Fazit
Iberia: Kings and Emirs ist ein echtes Überraschungsei – eines jener Spiele, die sich nicht durch das reine Lesen der Regeln erschließen, sondern erst am Tisch ihre wahre Tiefe offenbaren. Das Studium der Mechanik lässt zwar die Fantasie erblühen, doch ob sich die theoretische Spannung auch in tatsächliche Spielintensität übersetzt, bleibt die große Frage. Und genau darin liegt der Reiz.
Denn Iberia ist kein träges Area-Control-Spiel, das man schon hundertfach gesehen hat. Es verbindet territoriale Macht mit Diplomatie, Intrige und dem ständigen Kampf um innere Stabilität. Jeder Zug, jede Allianz, jede gebrochene Absprache kann Wellen schlagen – politisch wie emotional. Das Spiel fordert damit mehr als nur taktische Kalkulation: Es verlangt Fingerspitzengefühl, psychologisches Gespür und den Mut, Entscheidungen mit ungewissem Ausgang zu treffen.
Optisch und produktionstechnisch mag Iberia keine Wucht auf dem Tisch sein – sein Design bleibt zurückhaltend, beinahe nüchtern. Doch gerade diese Schlichtheit könnte am Ende jene Emotionen hervorrufen, die man längst in den Tiefen seiner eigenen Spieler*innen-Mottenkiste vergessen glaubte: Misstrauen, Triumph, bittere Niederlage – und das berauschende Gefühl, in einem politischen Drama völlig aufzugehen.
🎯 YBG-Backometer™
💎 4/5 – Politische Finesse mit mediterranem Nachhall
Iberia: Kings and Emirs zeigt beeindruckendes Potenzial für alle, die Area-Control nicht nur als Eroberungsspiel, sondern als Bühne für Diplomatie, Religion und Intrige verstehen. Das Konzept vereint strategische Tiefe mit thematischer Eleganz und verspricht intensive Runden voller Verhandlungen und taktischer Spannungen. Ein starkes Projekt mit klarer Vision – aber noch ohne endgültigen Ritterschlag.
Platz 2
📦 Container (Reprint 2025) auf Kickstarter

🎯 Genre: Wirtschafts- und Handelsspiel, Auktionen, Marktmanipulation, Logistik
👥 Spieler*innenzahl: 3–5 Händler*innen
⏱️ Spieldauer: ca. 60-90 Minuten
🎂 Alter: ab 12 Jahren
🌍 Sprache: Englisch
🎨 Designer: Franz-Benno Delonge & Thomas Ewert
🎲 Verlag: AllPlay
📆 Finanzierungszeitraum: läuft aktuell bis 10.10.2025 auf Kickstarter
🌀 Spielprinzip

Container gilt als einer der großen Klassiker der harten Wirtschaftssimulationen. Und es war ‚ewig‘ Out-of-Print!
Nun kommt der lang ersehnte Reprint!
Das Spielsetting ist klar umrissen: Die Spieler*innen errichten Fabriken, produzieren Waren, verladen diese in Containern und bringen sie anschließend auf den Markt – entweder direkt an Mitspieler*innen oder am internationalen Hafen. Der entscheidende Kniff liegt in der Preisgestaltung, denn jede*r bestimmt selbst, zu welchen Konditionen er/sie eigene Waren anbietet.
Die gesamte Wirtschaft wird dabei allein durch die Spieler*innen gesteuert. Wer günstig produziert, füllt zwar schnell den Markt, läuft aber Gefahr, auf den eigenen Containern sitzen zu bleiben, wenn die Nachfrage ausbleibt. Wer zu hoch pokert, wird leicht von preiswerteren Mitbewerber*innen unterboten. Timing ist entscheidend! Nur, wer zur richtigen Zeit verschifft, hat im Hafen Chancen, bei den verdeckten Auktionen die entscheidenden Verkäufe zu tätigen. Zum Spielende sind zudem nicht alle Waren gleich viel wert, sondern bestimmte Containerfarben bringen jedem individuell höhere Erträge.
Genau hier entfaltet Container seine Faszination: Das Spiel ist ein kompromissloser Marktmechanismus, der auf Kalkül, Bluff und perfektem Timing basiert. Wer die Nachfrage richtig einschätzt und die Mitspieler*innen ausmanövriert, lenkt die Wirtschaft. Wer danebenliegt, sieht, wie sich die Lager füllen und die eigene Ökonomie ins Stocken gerät.
⚙️ Spielmechanismen
Ein zentrales Element von Container ist der Fabrikbau: Wer frühzeitig investiert, verschafft sich langfristig mehr Flexibilität in der Produktion und kann gezielter auf Marktbewegungen reagieren. Anschließend folgt die Preisgestaltung, die ganz in den Händen der Spieler*innen liegt. Jede*r bestimmt eigenständig, zu welchem Preis Waren angeboten werden – ein ständiges psychologisches Feilschen, bei dem zu niedrige Preise zwar Nachfrage sichern, aber Gewinne schmälern, während zu hohe Preise Käufer*innen direkt zu günstigeren Konkurrent*innen treiben.
Sobald die Waren produziert sind, geht es um den Transport. Container müssen zunächst bewegt werden, um überhaupt den internationalen Markt zu erreichen. Dort findet schließlich die entscheidende Auktion im Hafen statt, bei der verdeckt geboten wird, wer die begehrten Ladungen erwerben darf. Den letzten Kniff bringt die verdeckte Wertung: Jede*r Spieler*in hat individuelle Vorlieben für bestimmte Warenfarben, die am Spielende besonders viele Punkte bringen. Damit wird nicht nur die eigene Strategie wichtig, sondern auch das genaue Beobachten der Konkurrenz, um deren Präferenzen zu erahnen und gezielt auszunutzen.
🎲 Fazit
Container stand schon lange auf meiner Kaufliste – doch die Preise für die alte Ausgabe mit ihren angestaubten Komponenten jenseits der 200,- Euro waren bislang einfach zu hoch. Umso stärker spüre ich jetzt den FOMO-Faktor, wenn eine hochwertige Neuauflage in Reichweite ist. Objektivität? Fehlanzeige! Ich gebe zu: Schon beim bloßen Lesen der Regeln entstehen in meinem Kopf Szenarien voller Spannung, Verhandlung und Ärgerfaktor, die am Tisch sicherlich noch nachhallen werden.
Gerade dieser psychologische Druck, der Mix aus knallharter Kalkulation und menschlichem Bluff, reizt mich ungemein. Es ist dieses Spielgefühl, bei dem man nach der Partie halbernst eine Therapieeinheit einfordern möchte – und genau das macht für mich die Faszination aus. Brettspiele sollen Geschichten erzählen, die man nicht so schnell vergisst, und Container verspricht genau das: ein Ökonomie-Drama, das Kopf und Bauch gleichermaßen fordert und das Chaos des freien Marktes greifbar macht.
🎯 YBG-Backometer™
💎 5/5 – Die Rückkehr eines legendären Wirtschaftskrimis
Mit Container kommt ein Titan zurück, den viele nur vom Hörensagen kannten. Wer Lust auf kompromisslose Wirtschaftssimulationen hat, findet hier ein Meisterwerk aus Angebot, Nachfrage, Bluff und kalter Marktlogik. Kein Spiel für Zartbesaitete, aber ein absolutes Muss für Ökonomie-Fans.
Platz 1
🏔 VEKTYR – The Geopolitical Struggle for Central Asia auf Kickstarter

🎯 Genre / Mechanismen: Geopolitischer Konflikt, Einfluss- & Gebietskontrolle, Aktionenselektion, Ressourcenmanagement, Diplomatie & Konflikte
👥 Spieler*innenzahl: 2–3
⏱️ Spieldauer: ca. 180 Minuten (je nach Konfliktdynamik)
🎂 Alter: ab ~14 Jahren
🌍 Sprachen: Englisch
🎨 Designer: Kyle Farrell
🪙 Verlag: Farley House LLC
📆 Finanzierungszeitraum: läuft aktuell bis 27.10.2025
🌀 Spielidee

In VEKTYR befehligt jede*r Spieler*in eine Fraktion, die in Zentralasien um Einfluss, Territorien und Ressourcen kämpft. Die Region ist politisch zersplittert, mit rivalisierenden Mächten, geopolitischen Spannungen und wechselnden Allianzen. Jede Fraktion muss versuchen, Kontrolle über strategische Gebiete zu gewinnen, Handelswege zu sichern, diplomatische Beziehungen zu managen und Konflikte auszutragen — sowohl mit den Mitspielenden als auch durch interne Unruhen.
Ressourcen wie politische Macht, Wirtschaftskraft, militärischer Einfluss oder der Geheimdienst können eingesetzt werden, um Gebietskontrolle zu beanspruchen, Einfluss auf neutrale Zonen zu gewinnen oder Konflikte in Kernebenen zu provozieren. Gleichzeitig müssen Spieler*innen ihre Aktionen klug timen, Allianzen erwägen oder brechen und sich gegen Destabilisierungen wappnen.
Der Druck steigt, je länger das Spiel dauert: Instabilität, Random-Events oder Eskalationen können plötzlich in Konflikte münden, die Positionen verschieben und langfristige Strategien infrage stellen.
⚙️ Spielmechanismen

Entscheidungen über Aktionenselektion, wobei sie zwischen Expansion, Diplomatie, Spionage, Geheimoperationen oder militärischen Interventionen wählen können. Dabei gilt es, die eigenen Ressourcen – Macht, Militär, Wirtschaft und Geheimdienst – klug einzusetzen, denn sie sind stets begrenzt und müssen taktisch gegeneinander abgewogen werden.
Dynamik entsteht durch Eskalationsmechaniken: Aufstände, Unruhen oder unerwartete Ereignisse können bestehende Machtverhältnisse abrupt ins Wanken bringen und langfristige Strategien durcheinanderwirbeln. Der Weg zum Sieg ist dabei nicht eindeutig vorgegeben. Unterschiedliche Siegbedingungen ermöglichen es, durch dominante Gebietskontrolle, militärische Stärke oder das Erreichen spezifischer Einflussziele zu gewinnen. Besonders spannend wirkt die Balance zwischen direkter militärischer Konfrontation und subtiler Diplomatie. Intrigen, Verhandlungen und plötzliche Verratsmomente sorgen dafür, dass nicht zwangsläufig die militärisch stärkste Fraktion die Nase vorn haben muss, sondern auch geschicktes Taktieren im Schatten zum Erfolg führen kann.
🎲 Fazit
VEKTYR ist für mich die Verkörperung dessen, warum ich immer noch Kickstarter-Seiten durchstöbere: die Chance, eine versteckte Perle zu entdecken. Es fühlt sich ein wenig an wie Pilzesammeln – Woche für Woche, Tag für Tag sucht man und plötzlich steht da ein prächtig gewachsener Speisepilz vor einem. Ob er am Ende in der Pfanne auch wirklich lecker brutzelt, bleibt wie immer abzuwarten.
Klar ist jedoch: Das Thema zieht mich gewaltig in seinen Bann. Die Mischung aus Kampf, Diplomatie und Intrige bereitet mir schon jetzt dieses aufregende Bauchkribbeln. Ich sehne mich nach einer Partie, in der wir gemeinsam erleben, wie sich ein geopolitisches Drama entfaltet, das uns auch nach dem letzten Zug noch stundenlang im Kopf beschäftigt und in Gedanken weiter in die Welt von VEKTYR zurückzieht.
Die Assoziationen liegen auf der Hand: Ich spüre Pax Pamir, Twilight Struggle und Struggle of Empires Vibes. Und vielleicht geht man am Ende nicht nur mit einem packenden Spielerlebnis nach Hause, sondern greift auch zur eigenen Enzyklopädie, um die realen Geschehnisse der letzten Jahrzehnte in Zentralasien noch einmal nachzulesen.
CAVE!!! AUSLIEFERUNG NUR IN DIE USA!!
🎯 YBG-Backometer™
💎 5/5 – Geopolitisches Meisterstück in spe
VEKTYR ist genau die Art von Titel, die Kickstarter spannend macht: mutig, ungewöhnlich und voller strategischer Tiefe. Es vereint Konflikt, Diplomatie und Intrige zu einem dichten Netz aus Entscheidungen, das weit über den üblichen ‚Area-Control-Standard‘ hinausgeht. Die Spannung liegt nicht nur im offenen Schlagabtausch, sondern vor allem in den subtilen Machtspielen, in Allianzen, Verrat und taktischem Fingerspitzengefühl. Wer Freude daran hat, große geopolitische Dramen am Spieltisch zu inszenieren und gleichzeitig von Pax Pamir, Twilight Struggle oder Struggle of Empires elektrisiert wird, findet hier einen absoluten Pflichtkauf.
Das waren die dieswöchigen YBG-Crowdfunding-News. SEE YOU NEXT WEEK!

Kommentare