YOURBLOODNIGHT – Blood on the Clocktower
- Betti Maus
- 8. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Mai
oder auch: vertraue niemandem, erst recht nicht, wenn du ihn vorher schon kanntest!
Blood on the Clocktower (BotC) ist vielleicht das derzeit beliebteste Social-Deduction-Spiel in der Brettspiel-Community. Wenn mich jemand fragt, worum es sich dabei handelt, ist meine häufigste Antwort: „Es ist wie Werwölfe in grandios.“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

Wie auch beim Social-Deduction-
Urgestein Werwölfe gibt es eine Tag- und eine Nachtphase, aber im Gegensatz zu Werwölfe gibt es Charaktere, die alle etwas Besonderes können, und der Tod bedeutet nicht das Ende des Spiels. Zu Beginn ist alles etwas überfordernd, aber spätestens ab Tag zwei beginnt die Magie des Spiels, ein Eigenleben zu entwickeln.
Das Besondere an BotC ist nämlich nicht nur, dass es die Schwächen vorheriger Social-Deduction-Spiele ausmerzt, sondern noch etwas Eigenes hinzufügt: in den Tagphasen bleibt man nicht in einer großen Runde sitzen; vielmehr findet man sich zu kleinen, immer wieder wechselnden Grüppchen zusammen und versucht, Informationen auszutauschen und das große Puzzle aus vielen Einzelteilen zusammenzusetzen – ob man hierbei belogen wird oder selbst Lügner*in ist, offenbart sich dann erst im Laufe des Spiels. Am Ende dieser Phase sollte bestenfalls eine Person exekutiert werden, denn das große Ziel ist es, den Dämon zu töten. Erst dann hat das gute Team gewonnen. Schafft es allerdings der Dämon in die sogenannten ‚Final Three‘ und gibt es nicht genügend Stimmen, um ihn zu überführen, gewinnt das böse Team. Aber was macht den besonderen Reiz dieses Spieles aus? Meiner Meinung nach ist das die Position der spielleitenden Person – genannt Storyteller –, die ungewöhnlich viel Einfluss auf das Geschehen hat. Sie legt fest, welche Charaktere im Spiel sind und welche Informationen sie bekommen. Zu Beginn unterstützt sie das böse und gegen Ende eher das gute Team und sorgt prinzipiell für einen sauberen Ablauf. Alles in allem liebe ich diese Position, das kann man wirklich nicht anders sagen.
Mit BotC in Kontakt gekommen bin ich vor ungefähr eineinhalb Jahren: Jakob, Johan, Lucas (mein Schwager) und ich waren damals auf dem Digger-Wochenende (veranstaltet vom Boardgame Digger, ein Brettspiele-Youtuber, der bestimmt einigen von euch ein Name ist), das wir damals einmal jährlich besuchten.
Oli – bekannt dafür, die großen Social-Deduction-Happenings zu veranstalten – hatte sich eine eigene Version dieses Spiels erstellt, da es das zu der Zeit noch nicht auf Deutsch zu kaufen gab. BotC gefiel mir so gut, dass ich mich im Anschluss direkt in eine zweite Runde am Tag danach eintrug und damit war es besiegelt: ich wollte dieses Spiel haben. Allerdings war es ziemlich teuer, also schloss ich mich mit Johan kurz und gemeinsam trugen wir uns nur wenige Wochen später in die Vorbestellung für die deutsche Auflage davon ein. Währenddessen verging ungefähr ein halbes Jahr, in dem ich kaum noch darüber nachdachte, was wir uns da eigentlich angeschafft hatten. Erst als wir erfuhren, dass sich die Auslieferung verzögern würde, fiel es mir wieder ein: Da war ja was!
In dieser Zeit entdeckte Jakob über eine ominöse Facebook-Werbung, dass es nicht allzu weit von uns entfernt einen neueren Brettspieltreff namens YOURBOARDNIGHT gibt, der jeden ersten Freitag im Monat stattfindet. Da ich persönlich eher introvertiert bin, war ich erstmal skeptisch und dachte mir nicht viel dabei. Er hingegen war direkt Feuer und Flamme, fand heraus, dass sie sogar ein Brettspielwochenende ganz in der Nähe veranstalteten, und schlug vor, dass wir – statt rüber in den Westen zum Digger-Wochenende zu tuckern – ja auch einfach dorthin fahren konnten. Das war für mich nicht allzu wichtig, bis er schließlich eine interessante Idee aufwarf: „Vielleicht könntest du da ja auch mal eine Runde Blood on the Clocktower leiten? Da kommen bestimmt mit Sicherheit genug Leute zusammen.“ Und damit war dieser Gedanke geradezu inceptionmäßig in meinem Gehirn verpflanzt, dabei war das Spiel noch nicht einmal bei uns angekommen.
Ich lernte also die ‚großen Vier‘ (wie ich sie gedanklich nenne) oder auch Björn, Chris, Felix und Seb kennen, spielte mein erstes Spiel mit Felix und nahm Kontakt mit Björn auf. Er schien interessiert, doch ich war mir unsicher, ob ich für all das nicht zu wenig Vorwissen hatte. Auf seine Fragen konnte ich nur antworten, dass ich es zweimal gespielt und ein wenig Erfahrung als Dungeon Master in meinem Freundeskreis gesammelt hatte. Reicht das? Bestimmt nicht… Doch sie waren tatsächlich bereit, eine kleine Proberunde und zwei Termine für die kommende YOURBOARDCON für mich zu planen. Ich war aufgeregt, wurde Patreon des inoffiziellen deutschen BotC-Podcast mit Hinweisen für Storyteller und übte zuhause mit dem Grimoire, nachdem es endlich bei uns eingetrudelt war. Man kann durchaus sagen, ich war Feuer und Flamme – tja, bis ich krank wurde und die Proberunde ausfallen musste. Mit etwas liebevoller Pflege war es mir möglich, meine ersten beiden Runden zur Con im November zu leiten, und was soll ich sagen? Ich war begeistert! Machte ich Fehler? Auf jeden Fall. War das schlimm? Zum Glück nicht. Ging die erste Runde vier Stunden? Faszinierenderweise ja, und trotzdem hatten alle Spaß. Ich lernte mehr und mehr zu diesem Spiel, wurde besser und sicherer.

BotC hat seine ganz eigene Magie, und zu beobachten, wie die Leute in ihren Rollen und Erzählungen aufgehen, ist wirklich toll. Man erzählt und performt eine Geschichte, deren Grundpfeiler man sich zu Beginn zurechtgelegt hat, um anschließend zu verfolgen, wie sie sich von allein weiterentwickelt. Mal unterstützt man, mal bringt man die Leute zum Lachen – es ist wirklich etwas ganz Besonderes. Man merkt diesem Spiel zweifelsohne an, dass sich der Designer Steven Medway dachte: „Hey, lass uns doch mal ein Spiel entwickeln, in dem der Storyteller auch ein bisschen Spaß und etwas zu tun hat.“
Es gibt Leute, die mich fragen, ob ich es nicht langweilig fände, so von außen zu beobachten, oder ob ich es nicht schade fände, dass ich nicht mitspielen kann – dass ich meine Zeit geradezu opfern müsse. Aber so ist es tatsächlich nicht. Ich liebe es, Storyteller zu sein, denn ich habe meine ganz eigene Rolle: Ich spiele die Strippenzieherin, die das Konstrukt zusammenhält und sich an den Menschen und ihren Interaktionen erfreut. Es bereitet mir große Freude, Konstellationen an Charakteren zusammenzustellen und mir vorzustellen, wie sie synergieren könnten… und am Ende dann zu sehen, dass meine Spieler*innen involviert und investiert sind, macht mich äußerst glücklich! Für diese Möglichkeit bin ich dieser Community und den ‚großen Vier‘ unsagbar dankbar. Naja, und Jakob natürlich auch, da ich ohne ihn gar nicht hier wäre und auf den Orga-Kram nicht so viel Bock habe.
In einem Satz: ich liebe dieses Spiel, ich liebe es, ein Storyteller zu sein, und ich freue mich unglaublich, wenn ihr zu YOURBLOODNIGHT kommt und Spaß dabei habt!

Zur Autorin:
Ich bin 29 Jahre alt und im echten Leben zwar als Physiotherapeutin unterwegs, aber hier vorrangig als Storyteller (BotC) bekannt. In der Brettspielszene bin ich ein großer Fan von kooperativen Spielen und/oder Social-Deduktion-Games und/oder Rätselspielen - mit großen Eurokloppern kann man mich jagen. In meinem Freundeskreis spiele ich zusätzlich noch DnD, entweder als Spielerin oder eben als Dungeon Master.
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